Umgang mit "überzähligen" Versuchstieren
Umgang mit überzähligen Versuchstieren
Die Freiheit der Forschung und Wissenschaft ist ein hohes Gut, das verfassungsrechtlich von Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist. Dennoch wird diese Freiheit nicht schrankenlos gewährleistet und kann dann einschränkt werden, wenn andere Güter von Verfassungsrang entgegenstehen. Diese für Juristen klassische Prüfung der Verhältnismäßigkeit des konkreten Einzelfalls stellt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regelmäßig vor rechtliche Probleme und Unsicherheiten, wenn es um die Frage geht, ob ein Versuchstier mit einem sog. „vernünftigen Grund" getötet werden darf, wie ihn das Gesetz in § 1 Satz 2 des deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) festschreibt.
Der auslegungsbedürftige Rechtsbegriff des „vernünftigen Grundes" fordert die Forschungs- und Wissenschaftsgemeinschaft besonders dann heraus, wenn es um die umstrittene Frage der Tötung von sog. „überzähligen" Versuchstieren geht. Diese Tiere, die zwar für einen Tierversuch gezüchtet wurden, dann aber aus verschiedenen Gründen (Alter, Geschlecht, Genetik) keinen Einsatz in dem Tierversuch finden, für den Sie ursprünglich erzeugt wurden, stellen jährlich eine hohe Anzahl (ca. 2, 5 Mio im Jahr 2021) dar, die sich aber aufgrund biologischer Gegebenheiten derzeit auch bei
bester Zuchtplanung nicht vermeiden lassen.
Während Tierschutzorganisationen ausnahmslos die artgerechte Weiterhaltung dieser Tiere bis an das natürliche Lebensende fordern, werden auf Seiten der Wissenschaft verschiedene Maßnahmen geprüft, die eine andere wissenschaftliche Verwendung, die Vermittlung sowie Verfütterung ermöglichen, aber auch in Einzelfällen die Tötung dieser Tiere vorsehen, wenn die jeweiligen wissenschaftlichen Haltungskapazitäten einer Einrichtung nicht mehr ausreichen. Der für die rechtliche Entscheidungsfindung maßgebliche Einzelfall und gesetzlich nicht festlegte Parameter, wann und wie eine der genannten Maßnahmen Anwendung finden, erschweren die Bestimmung eines vernünftigen Grundes. Tötungen von überzähligen Versuchstieren bleiben damit nicht einfach bestimmbar und erfordern eine sorgfältige Prüfung aller in Betracht kommender, zumutbarer Maßnahmen.
Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse zur geplanten Gesetzesänderung zum TierSchG und der Verschärfung tierschutzrechtlich-relevanter Strafrechtsvorschriften, äußerten sich wissenschaftliche Vereinigungen erstmals in einem ungewohnt deutlichen Appell an die Bundesregierung. Der Forschungsstandoft Deutschlands sei in Gefahr. Es fehle entscheidend an Rechtssicherheit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Die tierschutzrechtliche und ethische Debatte zum Umgang mit überzähligen Versuchstieren im Spannungsfeld von Wissenschaft und Tierschutz soll dargestellt, die verschiedenen Problemfelder und Meinungen abgebildet und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Allgemeine Missverständnisse werden erörtert und bieten die Grundlage für eine sachgerechte Diskussion. wissenschaftliche Vereinigungen erstmals in einem ungewohnt deutlichen Appell an die Bundesregierung, dass es an Rechtssicherheit fehle.
Schlussfolgerung
Die tierschutzrechtliche und ethische Debatte zum Umgang mit überzähligen
Versuchstieren im Spannungsfeld von Wissenschaft und Tierschutz soll hier dargestellt, die verschiedenen Problemfelder und Meinungen abgebildet und
Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Allgemeine Missverständnisse werden
erörtert und bieten die Grundlage für eine sachgerechte Diskussion.
Referenzen
[1]
I. Wagenknecht/Eusemann/Schwedhelm/Schönfelder/Bert, Die Tötung
überzähliger Versuchstiere-das Erfordernis des „vernünftigen Grundes" und die
Übertragung aktueller Rechtsprechung auf den Versuchstierbereich, Natur und Recht
(NuR) 45, 22-30 (2023). https://doi.org/10.1007/sl0357-022-4102-9
II. Wagenknecht/Eusemann/Schwedhelm/Schönfelder/Bert, Das Vorliegen des
„vernünftigen Grundes" bei der Tötung überzähliger Versuchstiere, Natur und Recht
(NuR) 45, 225-233 (2023). https://doi.org/10.1007/sl0357-022-4103-8
III. Wewetzer/Wagenknecht/Bert/Schönfelder, The fate of surplus laboratory animals,
EMBO Reports (2023) 24: e56551. https://doi.org/10.15252/embr.202256551
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