Pathogenese und Erregerdifferenzierung der atypischen L-Typ- und H-Typ- BSE-Infektion bei Rindern

Nach umfangreicher Untersuchung von zehn Gehirnabschnitten und einer Vielzahl peripherer Organe mit diversen Untersuchungsmethoden lässt sich für die beiden bisher bekannten atypischen BSE-Formen, dem L-Typ und dem H-Typ, eine ähnliche Pathogenese wie bei der klassischen C-BSE bestätigen. Dies entspricht einer generellen Restriktion auf das Nervensystem. Erst im späten klinischen Stadium der BSE-Erkrankung und nach Replikation im ZNS kommt es zu einer zentrifugalen Ausbreitung über periphere Nerven, wodurch es im Endstadium der Erkrankung ebenfalls zu positiven PrPSc-Nachweisen in Skelettmuskelpartien kommen kann. Bei Aufrechterhaltung der bisherigen tierseuchenrechtlichen und fleischhygienischen Bestimmungen zur Eindämmung der BSE besteht für den Endverbraucher kaum Gefahr einer erneuten BSE-Epidemie. Jedoch werden aufgrund der stark zurückgegangenen klassischen BSE-Fälle sowie der lediglich sporadisch auftretenden atypischen BSE diese Maßnahmen auf Basis einer Kosten-Nutzen-Rechnung nach und nach deutlich reduziert. Hinsichtlich der Erregerverteilung im Gehirn bleibt zu vermerken, dass es hier Unterschiede zwischen den drei BSE-Formen gibt: der L-Typ betrifft recht gleichmäßig alle Gehirnabschnitte, jedoch mit deutlichen Peaks in Riechhirn, Thalamus und Mittelhirn, wohingegen der H-Typ ein ähnliches Verteilungsmuster, jedoch generell niedrigere Signale in allen Gehirnabschnitten als der L-Typ aufweist. Für C-BSE lässt sich nach oraler Infektion nur eine minimale Beteiligung der Großhirnrinde feststellen, wobei zu erwähnen ist, dass andere Arbeitsgruppen eine stärkere Beteiligung der Großhirnrinde nach intrakranialer Inokulation ermittelten, die jedoch nicht die Stärke der atypischen BSE-Formen erreichte. Dies könnte eine mögliche Ursache für die Art und Ausprägung der klinischen Symptomatik sein. Eine weitere betroffene Region des ZNS stellt das verlängerte Mark (Medulla oblongata) dar: Zeigt die klassische BSE deutlich stärkere Signale in der kaudalen Medulla, ist diese bei beiden atypischen BSE-Formen jedoch vorwiegend auf die kranialen Abschnitte der Medulla oblongata beschränkt. Dies könnte ein Hinweis hinsichtlich der Ausbreitung im Gesamtorganismus sein: Für klassische BSE kommt primär der orale Infektionsweg über das den Darm innervierende enterische Nervensystem und danach weiter über parasympathische und sympathische Nerven hin zum Rückenmark bzw. dem Gehirn, dort insbesondere der Obexregion im verlängerten Mark, in Betracht. Demgegenüber sprechen die Befunde bei beiden atypischen BSE-Formen eher für einen kranialen, und somit sporadischen Ursprung. Dieser Umstand sollte bei der Entnahme der diagnostischen Probe (Obex) stets beachtet werden, d.h. die sogenannte „Löffelprobe“ darf nicht zu weit kaudal entnommen werden. Die Untersuchungen zur proteolytischen Stabilität der BSE-Stämme zeigen für beide atypische BSE-Formen eine geringere Proteaseresistenz gegenüber dem deutlich stabileren C-Typ, wobei der H-Typ die höchste Empfindlichkeit aufweist. Ob dies in vivo mit einem schnelleren Abbau des pathologischen Prion-Proteins und damit einer erhöhten Inkubationszeit einhergeht, lässt sich nur vermuten. Ein anscheinend bestehender Zelltropismus für Neuronen bei der L-BSE bzw. der Makroglia bei der H-BSE kann Rückschlüsse auf den Ursprung der atypischen BSE im Gehirn ermöglichen. Ebenso ist noch nicht eindeutig geklärt, ob dieser unterschiedliche Zelltropismus der drei BSE-Formen einen Einfluss auf den Abbau des PrPSc hat oder ob die Konformation des PrPSc eines jeweiligen TSE-Stammes durch die unterschiedlichen Zelltypen bestimmt wird. Weiterhin kann ein Zelltropismus Bedeutung bei der zentrifugalen Ausbreitung des PrPSc vom Gehirn in die Peripherie haben, wofür erste Anzeichen beim H-Typ vorzufinden sind. Bedenkt man dessen überwiegend gliales Reaktionsmuster und das mengenmäßige Vorhandensein der Glia-Analoga im PNS, so kann man dem H-Typ bessere Möglichkeiten zur peripheren Ausbreitung über die Schwannschen Zellen als dem stärker Neuronen-präferierenden L-Typ zuschreiben.

After the extensive investigation of ten brain areas and a huge panel of different peripheral organs with diverse analytical methods a pathogenesis study for the two atypical L- and H-BSE types was carried out and results compared to classical C-BSE type infections. All BSE types display a general restriction to the nervous system and a centrifugal spread via peripheral nerves was observed only in the late clinical stages of all three types after a massive replication in the central nervous system (CNS) leading to PrPSc depositions even in skeletal muscles eventually. By maintaining the present regulations for transmissible spongiform encephalopathies (i. e. SRM, monitoring), the risk for the consumer remains negligible. But since classical and atypical BSE occurs very rare currently, the regulations are downscaled more and more after cost-benefit-analysis. However, in regards to the PrPSc distribution in the CNS of BSE infected cattle, this study revealed differences between the three BSE types: L-type BSE after intracranial inoculation leads to a massive deposition which seems to be evenly distributed in all brain areas, but with only distinct peaks in rhinencephalon, thalamus and midbrain. Likewise does H-type BSE display almost a similar but less pronounced pattern as L-type BSE. In contrast, classical BSE (following oral infection) is affecting only basal CNS regions and hardly the cortex. It has to be mentioned that other research groups found a higher affection of cortices after intracranial challenge, but never reaching the levels found in cattle infected with atypical BSE here in this study. We postulate that this may be a plausible reason for the different clinical picture seen in classical and atypical BSE. Another affected region of the CNS is the medulla oblongata: C-BSE leads to a strong PrPSc deposition at the caudal medulla, whereas for both atypical BSE types rather the cranial medulla is affected. These different deposition patterns in the medulla should be kept in mind when samples for BSE testing are sourced. This could also be an indication of the distribution in the entire organism. The oral route of infection with entrance in the gut associated enteric nervous system followed by an ascending infection via parasympathetic and sympathetic nerves to the spinal cord and / or the brain prevails for classical BSE. In contrast, investigations for both atypical L- and H-BSE indicate an intracranial and therefore rather a sporadic origin. Analysis of proteolytic stability reveals for both atypical L- and H-type BSE a lower proteinase resistance as compared to the notably more stable C-type BSE PrPSc, showing the highest PK susceptibility for H-type BSE. It is only speculative whether this fact corresponds in vivo with a faster degradation of pathologic prion protein and, as a consequence thereof, with a longer incubation period. An apparent cell tropism for neurons in L-type BSE versus macroglia for H-type BSE could give hints for the origin of atypical BSE in the brain. It remains to be determined whether this distinct cell tropism found in the three BSE types has an impact on the degradation of the PrPSc, or if the PrPSc conformation of the different TSE strains is determined by the distinct cell types. Moreover, the cell tropism could be relevant for the centrifugal PrPSc distribution from the brain to the peripheral organs. First indications may apply for H-type BSE: in regards to its predominantly glial pattern as well as the amount of glial analogs in contrast to the presence of neurons in the peripheral nervous system, H-type BSE may more easily spread into the periphery via Schwann cells, as compared to the neuronal spread observed for L-type BSE.

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