Campylobacter - quo vadis?

Das pathogene Bakterium Campylobacter ist seit einigen Jahren die häufigste Ursache vonlebensmittelbedingten Durchfallerkrankungen in Deutschland und Europa. CampylobacterBakterien verursachen beim Menschen wässrige und blutige Durchfälle, die meist 4–7 Tageanhalten. In ca. 1 von 1.000 Fällen werden Komplikationen, wie reaktive Arthritis und periphereNeuropathien wie z.B. das Guillain-Barré Syndrom berichtet, welches zu Lähmungender Gliedmaßen führt. Im letzten Jahr in Deutschland wurden über 70.000 Campylobacteriose-Fälle berichtet. Die Dunkelziffer wird auf ein Vierfaches geschätzt.Campylobacter gehört zu den e-Proteobakterien, die relativ anspruchsvolle Wachstumsbedingungenim Labor verlangen. Sie wachsen unter mikroaeroben Bedingungen und nur beiTemperaturen zwischen 30 und 42 °C. Natürlicherweise kommen sie im Darm von Warmblüternvor, insbesondere bei Geflügel, aber auch bei Säugetieren. Die Kolonisierung von Campylobacterin Tieren ist symptomlos, sodass sich der Keim ohne äußere Anzeichen einerInfektion verbreiten kann. Daten aus den Jahren 2004 bis 2010 lassen erkennen, dass Geflügel(Masthähnchen, Pute und Ente) in Deutschland im Mittel zu 30–40 % mit Campylobacterbelastet sind. Allerdings werden Campylobacter mit ähnlicher Häufigkeit bei Schweinennachgewiesen. Rinder und Mastkälber sind zu ca. 15 % mit Campylobacter besiedelt, währendMilchkühe das Bakterium nur sehr selten aufweisen. Haustiere, wie Katze und Hund,tragen den Keim zu ca. 5 %.Bei Lebensmitteln kommen Campylobacter als Fäkalverunreinigung vor allem auf Geflügelfleischvor. Detektionsraten variieren zwischen knapp 20 % bei Putenfleisch in den Jahren2009 und 2010, über ca. 45 % bei Masthähnchenfleisch im Jahr 2009 bis über 60 % bei Entenfleischim Jahr 2009. Auffälligerweise ist die Kontaminationskette bei der Produktion vonSchweinefleisch aus ähnlich häufig mit Campylobacter kolonisierten Schweinen unterbrochen,sodass Schweinefleisch nur sehr selten mit Campylobacter belastet ist. Im Einklangmit dieser Beobachtung wird vorrangig C. jejuni als Hauptvertreter der Campylobacter spp.beim Geflügel auch als Hauptauslöser der Campylobacteriose beim Menschen beschrieben.C. coli hingegen, die hauptsächlich bei Schweinen vorkommende Spezies, trägt nur mit ca.8 % zu den menschlichen Campylobacter-Infektionen bei. Eine signifikante Reduktion derCampylobacteriose-Fälle beim Menschen könnte daher vor allem durch Reduktion der Kontaminationvon Schlachtkörpern während der Geflügelfleischgewinnung erfolgen.Das NRL für Campylobacter hat eine differenzierte Auswertung qualitativer und quantitativerDaten von Geflügelkarkassen (Schlachthof) bzw. Geflügelfleisch (Supermarkt) in Deutschlandangefertigt (Stingl et al. 2012). Während 55 % der Hühnerkarkassen auf dem SchlachthofCampylobacter-positiv waren (ISO 10272-1), wurden 43 % auch mit der quantitativenMethode detektiert (ISO 10272-2). Beide Methoden zusammen detektierten 62 % der Karkassenals positiv. Die qualitative Methode ist der quantitativen hinsichtlich Sensitivität überlegen.Wenn allerdings Begleitflora die Campylobacter-Bakterien in den Anreicherungsmedienüberwächst, ist die quantitative Methode überlegen, die eine sofortige räumliche Trennungder Bakterien auf der Agarplatte garantiert. Dies könnte als Erklärung dienen, warum12 % der positiv befundeten Karkassen lediglich mittels der quantitativen Methode detektiertwurden. Interessanterweise variiert dieser Anteil an Karkassen, die nur durch die quantitativeMethode als positiv detektiert wurden, deutlich innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten. In Belgienbeträgt er 68 %, gefolgt von den Niederlanden mit 32 % und Portugal mit 16 %. Eine unterschiedlichstark vorkommende resistente Hintergrundflora, wie z.B. ESBL- (extended b-28Tagungsbandlactamases) produzierende Escherichia coli, in den verschiedenen Ländern könnte dieseDaten erklären. ESBL E. coli wachsen in den in der ISO 10272-1 vorgeschlagenen Anreicherungsmedienund erschweren die Detektion von Campylobacter. Daher wird derzeit die ISO10272 überarbeitet und die Verwendung alternativer Medien (z.B. Preston broth mit PolymycinB als wirksames Antibiotikum gegenüber ESBL E. coli) für Proben mit erwarteter resistenterHintergrundflora empfohlen.Außerhalb des Darms, z.B. auf Lebensmitteln, können Campylobacter nicht wachsen undsind insbesondere oxidativem Stress ausgesetzt. Stresssituationen verändern das Bakteriumso, dass es im Labor auf Agarplatten nur noch eingeschränkt detektierbar ist. Das infektiösePotential kann aber im Gegensatz dazu für eine Infektion durchaus noch ausreichen. Darausresultiert wahrscheinlich die Diskrepanz zwischen der Anzahl kulturell detektierbarer Bakterienauf Geflügelfleisch aus dem Supermarkt in Deutschland und der EFSA-Einschätzung,dass 20–30 % der Campylobacteriose-Fälle auf den direkten Konsum bzw. die Verarbeitungvon Hähnchenfleisch bzw. sogar 50–80 % der Fälle auf das „Reservoir Huhn" zurückgehen(EFSA 2011). Entlang der Lebensmittelkette ist aufgrund der Datenlage deutlich geworden,dass quantitative mikrobiologische Untersuchungen auf Campylobacter mit frischen Proben(aus dem Schlachthof) aussagekräftig sind. Ein mikrobiologisches Kriterium von z.B. 500 bis1.000 CFU/g Hühnerhaut könnte sinnvollerweise auf dem Schlachthof Anwendung findenund mittels der derzeit verfügbaren ISO 10272:2006-2 überprüft werden. Für Proben ausdem Supermarkt sollte derzeit die qualitative ISO 10272:2006-1 verwendet werden. Trotzdembesteht der Bedarf an kultivierungsunabhängigen Verfahren zur Detektion von Campylobacter.Es existieren diverse Real-time-PCR-Methoden zum Nachweis von thermophilen Campylobacter.2003 wurden von Lübeck et al. (Lübeck et al. 2003) geeignete Primer zum spezifischenNachweis des 16S rRNA Gens von Campylobacter spp. (C. jejuni, C. coli, C. lari) entwickelt,die 2004 von Josefsen et al. (Josefsen et al. 2004) im Real-time-PCR-Ansatz verwendetwurden. Mittlerweile wurde diese PCR von NordVal (National Veterinary Institute,Norwegen; NMKL 017: 2011 nach Anreicherung mittels ISO 10272-1:2006) validiert. InDeutschland wird eine Veröffentlichung dieser Methode im Rahmen der §64-Methoden desLFGB Ende des Jahres erwartet, die Validierung ist bereits abgeschlossen. Diese Methodeist derzeit nur qualitativ validiert und Bedarf eines Voranreicherungsschritt nachISO 10272-1.Das 16S-rRNA Gen liegt bei Campylobacter in drei Kopien pro Chromosom vor und ermöglichtdamit eine sehr sensitive Detektion. Für eine quantitative Detektion des pathogenenBakteriums müssen verschiedene Bedingungen erfüllt werden. Zunächst muss eine quantitativeDNA-Isolation, z.B. über das Mitführen einer internen DNA-Kontrolle, sichergestellt werden.Darüber hinaus muss die Detektion relativ sensitiv sein, da ein mikrobiologisches Kriteriumvon 1.000 CFU/g Geflügelhaut zur Diskussion steht. Schließlich darf nur DNA von intaktenund potentiell infektiösen Campylobacter, nicht aber von toten Zellen nachgewiesen werden.Das Prinzip der Unterscheidung von lebenden und toten Campylobacter basiert grundsätzlichdarauf, dass DNA-Farbstoffe in tote Zellen, nicht aber in lebende Zellen eindringen können.Nach Bindung der Farbstoffe an die DNA toter Zellen, reagieren diese mit der DNAnach Lichtanregung und verhindern den Nachweis mittels PCR. Damit soll sichergestelltwerden, dass nur DNA von lebenden Zellen mit der Real-time PCR detektiert wird. In verschiedenenStudien wurden zwei Farbstoffe, Ethidium-Monoazid (EMA) und Propidium-Monoazid (PMA), für die Detektion von Campylobacter eingesetzt (Josefsen et al. 2010; Rudiet al. 2005). Um festzustellen, inwieweit die Farbstoffe, PMA und EMA, lebende von totenCampylobacter unterscheiden können, haben wir zunächst die Membranpermeabilitäten derAnaloga Ethidiumbromid (EtBr) und Propidiumiodid (PI) im Fluorimeterexperiment getestet.Die Ergebnisse weisen eindeutig darauf hin, dass EtBr je nach metabolischem Zustand der29Zoonosen und LebensmittelsicherheitZelle bzw. zusätzlich auch abhängig von der Membranfluidität zeit- und konzentrationsabhängigin lebende Zellen penetriert. PI hingegen konnte sehr gut zwischen intakten undmembrangeschädigten Campylobacter unterscheiden. Mikroskopisch wurden die Ergebnisseauch mit EMA und PMA bestätigt. Für eine Standardisierung der Methode ist es wichtig, geeigneteKontrollen für die Funktionalität von PMA im Kontext der Lebensmittelmatrix zu besitzen.Normalerweise werden Bakterien hitzeinaktiviert, um als Kontrolle für tote Zellen zudienen. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass durch Hitzeinaktivierung relativ viel DNAaus den Zellen austritt. Da der „physiologische Tod" von Campylobacter vorrangig durchoxidativen Stress ausgelöst wird, verwenden wir Zellen nach Behandlung von Wasserstoffperoxidals Kontrolle toter Zellen, die sich im Experiment als geeignet erwiesen haben.Die quantitative Real-time-PCR-Methode ist noch nicht abschließend standardisiert. WeitereExperimente bzgl. der Stabilität bzw. des Detektionslimits sind erforderlich, bevor diese Methodeals Standard zur kultivierungsunabhängigen Detektion von Campylobacter routinemäßigeingesetzt werden kann. Zudem müssen Abweichungen zwischen den quantitativen Datenaus der PMA/Real-time PCR relativ zum derzeitigen „Goldstandard" ISO 10272-2 akzeptiertwerden. Diese spiegeln die derzeitige Diskrepanz zwischen den quantitativen (mikrobiologischen)Daten von Proben aus dem Supermarkt und ihrem realen Infektionsrisiko für denVerbraucher wider.

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